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Ich lese nämlich nicht nur gern Bücher, sondern ich unterhalte mich auch gern über sie. Und darüber, wie sie entstanden sind und wie unterschiedliche Autor*innen beim Schreiben vorgehen.
Und ich weiß, dass es vielen von euch auch so geht. Deshalb gibt es jetzt hier "Autorengespräche". Den Anfang macht ein US-Autor, den ich erst vor kurzem für mich entdeckt habe: Greg Howard.
Interview mit Greg Howard
Greg Howards EIN FLÜSTERN IM WIND ist für mich eines der schönsten Kinderbücher, die ich seit langem gelesen habe. Kennt ihr es?
Im Mittelpunkt steht der elfjährige Riley. Er ist auf der Suche nach den Flüsterern, jenen geheimnisvollen Wesen, von denen ihm seine Mama immer erzählt hat: Sie leben tief im Wald verborgen und können Herzenswünsche erfüllen.
Die meisten glauben, sie sind ein Märchen. Doch Riley ist bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Er will seine Mama wieder finden, die vor ein paar Monaten spurlos verschwunden ist. Schlimmer noch: Riley ist sich fast sicher, dass sie entführt wurde, doch keiner will ihm glauben.
Gemeinsam mit seinem Hund, seinem besten Freund und ausgerechnet dem etwas älteren Farmersjungen Dylan, in den Riley heimlich verliebt ist, begibt er sich auf einen Abenteuertripp, die Flüsterer zu finden ...
Vom Buch war ich hin und weg. Nicht nur, das die Geschichte klug und emotional ist, Howard schreibt auch noch wunderbar. Die Gedankenwelt seines elfjährigen Ich-Erzählers schildert er absolut glaubhaft. Mal wird es traurig, mal humorvoll, nie wird es langweilig.
Deshalb war ich auch so froh, dass Greg sich zu diesem Interview bereit erklärt hat. Viel Spaß beim Lesen!
Rileys Mutter hat ihm immer die Geschichte der Flüsterer erzählt. Welche Geschichten haben dir deine Eltern oder Großeltern immer wieder erzählt?
Ich war zu jung, um mich daran zu erinnern. Aber Familienmitglieder sagen, dass meine Mutter mir vor ihrem Tod Gutenachtgeschichten erzählte, die sie sich selbst ausgedacht hat. Ich wünschte, ich könnte mich an sie erinnern.
Ich glaube, niemand in der Familie hatte die gleiche Liebe zum Geschichtenerzählen. Aber sie hat das definitiv an mich weitergegeben.
Um Lesern, die das Buch noch nicht gelesen haben, ein Gefühl dafür zu geben, was sie erwartet: Welche Farbe(n) und welche Schlüsselwörter würden die Atmosphäre Ihres Romans am besten beschreiben?
Oh - interessante Frage!
Für Farben würde ich tiefe, satte Blau- und Grüntöne sagen.
Für Worte würde ich sagen: Geheimnis, Sehnsucht, Liebe und Hoffnung.
Was magst du an Riley?
Ich mag es, dass Riley die Welt mit unschuldigen Augen sieht, aber auch über seine Jahre hinaus weise ist. Er hat, wie man so sagt, eine alte Seele.
Doch das, was ich an Riley am meisten mag, ist, dass er nie die Hoffnung aufgibt.
Seine Reise in diesem Buch ist schwierig - und zutiefst berührend. Wie schwer war es, über bestimmte Themen zu schreiben?
Es gibt einige Szenen, die schwierig, aber auch äußerst befreiend waren.
Allerdings möchte ich nichts verraten, weil das Schlüsselmomente in der Geschichte sind. Die meiste Zeit war es eine Freude, das Buch zu schreiben, und die Geschichte ging mir leicht von der Hand.
Was treibt dich an, Romane zu schreiben?
Als ich mit dem Schreiben begann, war meine Motivation, einen Agenten zu finden, ein Buch zu veröffentlichen, und sogar die Bekanntheit, die mit all dem einhergeht.
Aber sehr bald nach der Veröffentlichung meines ersten Jugendbuchs (Social Intercourse) ging ich zu meinem ersten Buchfestival, an dem Schüler der Mittel- und Oberstufe teilnahmen.
Das erste Mädchen, das sich meinem Signiertisch näherte, war so nervös mich zu treffen, dass sie kaum sprechen konnte. Das habe ich nicht erwartet. Als sie mir unter Tränen erzählte, wie SOCIAL INTERCOURSE ihr in sehr dunklen Zeiten half und den Mut gab, sich als lesbisch zu outen, änderte sich meine ganze Sichtweise auf das Schreiben von Büchern.
Mir wurde klar, dass ich dieses Buch für sie und all die anderen Kinder und Erwachsenen geschrieben habe, deren Geschichten erzählt werden müssen - um das Gefühl zu haben, dass sie wichtig sind und dass sie nicht allein sind.
Also schreibe ich jetzt für sie alle.
(Foto (c) Greg Howard)
Und warum wolltest du gerade diese Geschichte erzählen?
Es ist die persönlichste Geschichte, die ich je geschrieben habe.
Sie wurde von meiner eigenen Mutter und meiner engen Beziehung zu ihr inspiriert.
Wie Riley war mir von klein auf bewusst, das ich mich zu Jungs hingezogen fühle. Aber ich lebte nicht in einer Gegend oder einer Zeit, in der ich offen so sein konnte, wie ich war. Die religiöse Unterdrückung war ebenso erstickend wie für Riley.
Viele der Figuren im Buch basieren auf meiner Familie und Freunden aus meiner Kindheit - Rileys Vater, Bruder und Großeltern, seine Freunde Gary und Carl und sein Schwarm Dylan. Sogar Tucker basierte auf meinem Hund Tucker und er war genau so wie im Buch beschrieben.
Es gibt sogar Szenen in dem Buch, die aus meinen eigenen Kindheitserfahrungen stammen, wie jene schrecklichen Sachen, die Riley Schwester Grimes, die Klatschtante der Kirche, sagen hört.
Ich hatte das Gefühl, dass dies eine Geschichte war, die ich einfach loswerden musste, obwohl mein damaliger Verleger mir davon abriet, sie zu schreiben.
Kannst du uns ein paar Dinge über deinen Schreibprozess erzählen? Schreibst du chronologisch? Hast du irgendwelche seltsamen Schreibgewohnheiten?
Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche seltsamen Schreibgewohnheiten habe.
Normalerweise schreibe ich in den frühen Morgenstunden mit meinem Kaffee und mit meinen drei Hunden, die um mich herum auf dem Sofa liegen. Ich schreibe chronologisch und mache Notizen zu den Geschichten in meinen Notizbuch.
Gewöhnlich beginne ich damit, ein oder zwei Kapitel einer Idee, die ich habe, zu schreiben. Dann höre ich auf und erstelle eine Klappentextbeschreibung des Buches. Anschließend arbeite ich das Outline oder eine Zusammenfassung aus, bevor ich weiter schreibe.
Auf deiner Website beschreibst du das Schreiben von Geschichten als deine Leidenschaft seit Kindheitstagen. Wann wusstest du, dass du Autor werden wolltest?
Als ich ungefähr acht oder neun Jahre alt war, schaute ich mir einen Fernsehfilm mit dem Titel ‘The Last Survivor’ an. Er hat mir so gut gefallen, dass ich direkt in mein Zimmer ging und die gesamte Geschichte in ein spiralgebundenes Notizbuch schrieb, als wäre es ein Buch, das ich geschrieben hätte.
Am nächsten Schultag zeigte ich es meinem besten Freund Michael und er fügte der Geschichte Illustrationen hinzu. Ich denke, das war das erste Buch, das ich geschrieben habe, obwohl es nicht meine Geschichte war.
Michael und ich haben es sogar an einen Verlag in New York geschickt! Wir hatten die Adresse aus einem der Bücher in unserer Klassenbibliothek raus gesucht. Etwa einen Monat später erhielten wir einen sehr schönen Ablehnungsbrief. Die fanden das sicher zum Piepen.
Obwohl Autoren Geschichten erfinden, geht's nicht ohne Recherche. Was ist das Seltsamste, worüber du jemals recherchiert hast?
Anal-Bleaching. (für meinen Jugendroman)
Welche Romane - oder welche Art von Romanen - begeistern dich?
Ich lese alle Arten von Kinder- bis zu Erwachsenenbüchern. Besonders gerne lese ich Thriller.
Aber ich freue mich am meisten über Bücher für junge Leser mit LGBTQ-Charakteren.
In den letzten Jahren erscheinen immer mehr Bücher mit LGBTQ-Figuren im Zentrum der Handlung. Dies ist ein großartiger Trend und ich wollte dich als LGBTQ-Autor fragen: Glaubst du, dass dies ein Trend ist, der sich halten wird? Gibt es Dinge oder Charaktere in Romanen mit queeren Figuren, von denen du dir wünschen, dass wir sie öfter zu sehen - oder überhaupt zu sehen?
Ich freue mich, dass wir mehr Bücher für junge Leserinnen und Leser mit LGBTQ-Hauptfiguren sehen, und ich denke, dass dies ein Trend ist, der sich fortsetzen wird.
Ich würde gerne mehr Geschichten über trans- und bisexuelle Kinder und Jugendliche sehen.
Was sind deine nächsten Pläne als Autor? Kannst du uns schon mitteilen, woran du gerade arbeitest?
EIN FLÜSTERN IM WIND wird als Film produziert, und mein zweites Mittelstufen-Buch MIDDLE SCHOOL'S A DRAG, YOU BETTER WERK! wird für das Fernsehen verfilmt.
Mein kommendes Buch für Mittelstufenschüler ist eine queere Geistergeschichte namens THE VISITORS, die nächsten Sommer in den USA erscheinen soll.
Darüber hinaus arbeite ich gerade an ein paar neuen Ideen für Geschichten.
Spaßfrage: Wenn du ein paar fiktive Figuren zum Tee oder Abendessen einladen könntest (entweder aus deinen eigenen Werken oder aus einem anderen): Wer sollte es sein und warum?
Auf jeden Fall Beckett aus meinem schwulen romantischen Komödie SOCIAL INTERCOURSE. Er ist hysterisch und völlig respektlos.
Und auch Tom Ripley aus Patricia Highsmiths Ripley-Serie. Es wäre sicher ziemlich interessant, mit ihm einen Abend zu verbringen.
Vielen Dank für die tollen Antworten!